* Die Geschichte der Kastanienallee *
Der Name der Kastanienallee in Braunschweig leitet sich tatsächlich - wen wundert es - von den herrlichen großen Kastanienbäumen her, die hier einmal gestanden haben. Manche von ihnen wurden durch die Bombenangriffe des letzten Weltkriegs zerstört, und der Rest der alten Bäume wurde in den harten Nachkriegswintern von den Anwohnern gefällt, um daraus Brennholz für ihre Wohnungen zu gewinnen. Zwar wurden später wieder neue Kastanienbäumchen gepflanzt, doch die jungen Bäume wuchsen nur langsam heran und haben es bislang erst teilweise geschafft, der Straße wieder den Charakter der einstigen Prachtallee zu geben.
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Ganz wie in alten Zeiten: Ein wunderschön blühender Kastanienbaum vor dem Haus Kastanienallee Nr. 62
(Foto: Björn Benken) |
Die Kastanienallee existiert seit etwa 1850; zunächst nur in Form eines Feldweges, der zu den Hütten der Viehhirten führte und der in die Altewiekweide und den Kleinen Sandkamp mündete. 1869 wurde die Kastanienallee das erste Mal im Braunschweiger Adressbuch erwähnt. Man hatte zu dieser Zeit schon Hausnummern für die Grundstücke vergeben, von denen die meisten aber noch gar nicht bebaut waren.
In der Folgezeit nahm die Bevölkerungszahl in Braunschweig - wie auch in anderen Städten - eine stürmische Entwicklung. Zählte die Stadt 1875 noch 66.000 Einwohner, so waren es 1889 bereits 96.500. Im Ortsbauplan des Stadtbaurats Ludwig Winter von 1889 lässt sich gut erkennen, dass die Bebauung der Kastanienallee schon fast ihren vorläufigen Endzustand erreicht hat, während viele der angrenzenden Straßen erst in Ansätzen erahnt werden können. Die letzten noch verbliebenen Baulücken in der Kastanienallee wurden im Laufe des Jahres 1890 geschlossen.
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Rechenmaschinen wie diese machten die Brunsviga Maschinenfabrik - damals ansässig in der Kastanienallee 71 - weltbekannt.
(Foto: Archiv Albert Warnecke) |
Bekannt auch über die Braunschweiger Region hinaus wurde die Kastanienallee durch die ehemalige Nähmaschinenfabrik Grimme & Natalis, die sich hier angesiedelt hatte und aus der sich später die "Brunsviga Maschinenfabrik" entwickelte. Seit 1892 stellte die Brunsviga (nicht zu verwechseln mit der ehemaligen, gleichnamigen Konservenfabrik in der Karlstraße!) sehr erfolgreich mechanische Rechenmaschinen für den Weltmarkt her, bevor das Aktienkapital 1957 von den Olympiawerken in Wilhelmshaven übernommen wurde und kurz darauf der Siegeszug der elektronischen Datenverarbeitung mechanische Rechenmaschinen überflüssig machte. In dem 1927 vom Architekten Karl Munte entworfenen Fabrikgebäude Kastanienallee 71 haben heute die BBS V und die Technikerschule ihren Sitz.
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Das Haus Kastanienallee Nr. 42a gehörte zu denjenigen Gebäuden, die durch Bomben fast völlig zerstört wurden.
(Foto: Archiv Benken) |
Im zweiten Weltkrieg wurden einige Häuser in der Kastanienallee durch Fliegerangriffe zerstört, so z.B. das Haus Nr. 14, das Haus Kastanienallee 42a (Foto unten links), die Häuser Nr. 55 und 56, das Haus Kastanienallee 60 (siehe Foto unten rechts) und die "Palast-Lichtspiele" (Kastanienallee 75, jetzt Schlecker-Markt) mit dem benachbarten Restaurant Felten (Helmstedter Straße 10, Ecke Kastanienallee). Im Vergleich zu den Straßen der Innenstadt, die teilweise eine 100prozentige Zerstörung zu beklagen hatten, war die Kastanienallee jedoch noch glimpflich davongekommen. Nur 20 Prozent der Häuser wiesen mittlere bzw. schwere Schäden auf oder hatten Totalschäden erlitten.
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Blick vom Altewiekring auf die Kreuzung Kastanienallee, irgendwann in den 70er Jahren.
(Foto: Archiv Schliephake) |
Bis in die sechziger/siebziger Jahre war die Kastanienallee eine Einbahnstraße in Richtung Westen, durch die zunächst noch die Straßenbahnlinie 8 nach Riddagshausen fuhr. Das Haus Nr. 68, das weit in den Altewiekring hineinragte, wurde im Sommer 1965 abgerissen (das heutige Haus Nr. 68 war davor die 68A). Das Palast-Kino ("Puschenkino"), das 1938 seinen Betrieb aufnahm und sich besonders in der Nachkriegszeit großer Beliebtheit erfreute, musste 1973 geschlossen werden.
Literaturnachweise:
Der obenstehende Text basiert überwiegend auf den folgenden Quellen:
- Jürgen Hodemacher: "Braunschweigs Straßen - ihre Namen und ihre Geschichten; Band 2: Zwischen Okergraben und Stadtring", Kapitel "Kastanienallee"; erschienen 1996 im Elm Verlag Cremlingen unter der ISBN 3-927060-12-7.
- Jürgen Mertens: "Die neuere Geschichte der Stadt Braunschweig in Karten, Plänen und Ansichten"; herausgegeben vom Vermessungsamt der Stadt Braunschweig, 1981.
* Foto-Vergleiche: Früher und Heute *
(Fotos: Archiv Albert Warnecke (7) bzw. Archiv Benken (1) )
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